Selbstwirksamkeit
Selbstwirksamkeit beziehungsweise die Selbstwirksamkeitserwartung spiegelt nicht die objektive Realität, die tatsächlichen Fähigkeiten oder Kompetenzen der Lernenden wider. Es handelt sich vielmehr um die subjektive Einschätzung der eigenen Fähigkeiten darüber, ob ein gesetztes oder gestelltes Lernziel erreicht werden kann. Die Selbstwirksamkeitserwartung hat einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten und die Leistung der Lernenden.
Hat die/der Lernende eine hohe Selbstwirksamkeit, steigen die eigenen Ansprüche und das Vertrauen in die Bewältigung von größeren Herausforderungen. Sie nimmt also direkten Einfluss auf die Motivation der Lernenden.
Umgekehrt führen negative Selbstwirksamkeitserfahrungen zu einer Verringerung der Leistungsbereitschaft bis hin zu einem negativen Selbstbild (vgl. Egger, S. 47 f.).
Bedeutung von Selbstwirksamkeit
Lernende mit hohen Selbstwirksamkeitserwartungen sind resilienter in Bezug auf Stress- und Belastungssituationen im direkten Lernumfeld (aber auch außerhalb) und motivierter, sich neuen Herausforderungen zu stellen (vgl. Egger, S. 44 f).
Außerdem zeigen empirische Untersuchungen, dass Lernende mit einer hohen Selbstwirksamkeit ein besseres Ressourcenmanagement aufzeigen. Selbstwirksamkeit ist eine personale Ressource, die sich lebenslang entwickelt. Diese Entwicklung hängt an internen und externen Faktoren, wie zum Beispiel „[d]ie Familie, in der Kinder größtenteils ihre physischen, kognitiven, sozialen und linguistischen Fähigkeiten erlernen und ausbauen, die häusliche Umgebung, auch Lernmaterialien und Geschwisterkonstellationen“ (Egger, S. 46). Auch positives Feedback, Motivation und ein differenziertes Lernangebot wirken sich positiv auf die Selbstwirksamkeitserwartung aus.
Da die Selbstwirksamkeit der Lernenden nicht immer die tatsächliche Kompetenz abbildet, liegt es an der Lehrkraft, dies entsprechend rückzumelden und die Lernanforderung anzupassen. Stadler bildet dies in seinem „Erwartungsquadrat“ ab.
- Selbstüberschätzung der Lernenden
Lernende mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung (persönliche Selbsteinschätzung) und einer niedrigen Handlungskonsequenzerwartung (realistische Abbildung der tatsächlichen Kompetenz) wenden viele Ressourcen auf, um zu einem relativ wirkungslosen Ergebnis zu gelangen. Hier kann ein differenziertes Lernangebot förderlich sein, um nicht langfristig die Selbstwirksamkeit durch Misserfolge zu schwächen.
- Fehlendes Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten
Lernende mit einer niedrigen Selbstwirksamkeitserwartung und einer hohen Handlungskonsequenzerwartung können durch aktive Bestärkung und positive Rückmeldung motiviert werden. Ein positives Ergebnis kann dann zur Stärkung der Selbstwirksamkeit führen.
- Niedriger Leistungsstand bei realistischer Selbsteinschätzung
Lernende mit einer niedrigen Selbstwirksamkeitserwartung und einer niedrigen Handlungskonsequenzerwartung sind auf beide vorangegangene Maßnahmen angewiesen: sowohl auf das differenzierte Lernangebot als auch auf den positiven Zuspruch der Lehrenden. Selbstgesteuertes Lernen ist hier mit den größten Herausforderungen verbunden und Stadler spricht sogar von universeller Hilflosigkeit.
- Hoher Leistungsstand bei realistischer Selbsteinschätzung
Die beste Voraussetzung für Selbstgesteuertes Lernen ist schlussfolgernd, wenn Lernende sowohl eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung haben als auch eine hohe Handlungskonsequenzerwartung, da hier Motivation gefördert wird durch Erfolgserlebnisse.
Handlungskonsequenz- Erwartungen (führt eine Handlung zum Ziel |
Selbstwirksamkeits- Erwartungen (bin ich imstande, die erforderliche Handlung auszuführen?) |
|
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- |
+ |
- |
universelle Hilflosigkeit |
relative Wirkungslosigkeit |
+ |
persönliche Inkompetenz |
Intrinsische selbstregulator. Motivation, Flow/Glücksgefühl |
Stadler 1985, S. 257
- Lernräume, die die Bewältigung komplexer Situationen ermöglichen
Solche Lernräume sind geprägt von der aktiven Teilhabe der Lernenden. Sie können den Raum mitgestalten, es gibt die Möglichkeit für interaktives und kooperatives Arbeiten, aber auch für individuelle Lernerfahrungen.
Lernräume ≠ Leistungsräume
(Ein Lernraum ist ein benotungsfreier Raum, der Lernmotivation fördert und Lernziele entwickelt.)
- Modelllernen, peer-learning
Wenn in vergleichbaren Gruppen Erfolge bei Einzelnen erzielt werden, kann sich diese positive Lernerfahrung auf die Selbstwirksamkeitserwartung der anderen Lernenden auswirken.
„Wenn Hannah das kann, dann schaff ich das auch!“
- Positive Feedbackkultur, ressourcenorientiertes Feedback
Rückmeldungen an die Lernenden, die positiv formuliert sind und auf vorhandene Ressourcen bei den Lernenden aufbauen, ohne diese zu überfordern, können die Selbstwirksamkeit erhöhen.
- Stressmanagement
Lernende, die physiologische Stressreaktionen (zum Beispiel Herzklopfen, Bauchschmerzen, Hände zittern) spüren, interpretieren dies oft als Schwäche, was zu Selbstzweifeln und einer geringeren Selbstwirksamkeitserwartung führen kann.
- Ein grundsätzlich überforderndes Lernumfeld
Wenn die Lernenden nur Misserfolge erleben, wird sich dies negativ auf die Motivation auswirken und die Frustrationstoleranz senken. Lernende ziehen sich eher zurück.
- Ein grundsätzlich unterforderndes Lernumfeld
Bietet das Lernumfeld keine Herausforderung, können keine Erfolgserlebnisse gemacht werden. Lernende langweilen sich.
Quellen
Egger, Josef W.: Selbstwirksamkeitserwartung – ein bedeutsames kognitives Konstrukt für gesundheitliches Verhalten. In: Psychologische Medizin. Österreichische Fachzeitschrift für medizinische Psychologie, Psychosomatik und Pschotherapie. Wien 02/2022. S. 43-48.
Weiterführende Literatur:
Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg: Selbstwirksamkeit in der Grundschule. Schulart Grundschule unter besonderer Berücksichtigung der Leitperspektive „Prävention und Gesundheitsförderung“. Stuttgart 2022
https://www.schule-bw.de/service-und-tools/bildungsplaene/allgemein-bildende-schulen/bildungsplan-2016/unterrichtsbeispiele/gs-lp-pg-selbstwirksamkeit-in-der-grundschule.pdf -zuletzt am 15.01.2024 zu erreichen über diesen Link https://t1p.de/j3qpx
Fuchs, Carina: Selbstwirksam lernen im schulischen Kontext. Kennzeichen - Bedingungen – Umsetzungsbeispiele. Bad Heilbrunn 2005.
Selbstwirksam lernen im schulischen Kontext. Kennzeichen - Bedingungen - Umsetzungsbeispiele (pedocs.de) - zuletzt am 25.01.2024
Zu erreichen über diesen Link https://t1p.de/7jc3i