Kooperatives Lernen – Ein Schlüssel zum selbstgesteuerten Lernen in der digitalen Welt

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Kooperative Lernformen bilden eine Übergangsform zum selbstgesteuerten Lernen, da Lernende sich hier gegenseitig unterstützen und durch die gegenseitige Abhängigkeit motivieren. Beim kooperativen Lernen erfahren und erlernen Schülerinnen und Schüler grundlegende Techniken, welche als Kernkompetenzen in einer vernetzten Welt (4K) gelten. Empirische Befunde belegen, dass kooperatives Lernen nicht nur dem individuellen Lernen deutlich überlegen ist, sondern auch dem wettbewerbsorientierten Lernen und dem Lernen in einer üblichen Klassensituation (Höfer & Steffens, 2016, Seite 106).

Beim kooperativen Lernen arbeiten die Lernenden in Partner- oder Gruppenarbeit und konstruieren aktiv neues Wissen (vgl. Borsch, 2015, S. 25 ff.). Wichtigste Grundlage kooperativer Unterrichtsmethoden ist, dass unter den Mitgliedern einer Gruppe, die ein gemeinsames Ziel verfolgen, eine positive wechselseitige Abhängigkeit, auch positive Interdependenz genannt, besteht (vgl. Borsch, 2015, S. 19 ff.). Beim kooperativen Lernen sind die Lernenden aktiv am Lernprozess beteiligt und stehen in wechselseitiger Abhängigkeit. Der Lernstoff in Gänze kann nur durch kooperatives Arbeiten und Lernen erschlossen werden (Haas, 2015, S. 34). Eine Schülergruppe recherchiert oder erarbeitet die Informationen, die von einer anderen (Teil-)Gruppe weiterverarbeitet werden, um beispielsweise einen Zeitstrahl, eine Berechnung oder eine Präsentation zu erstellen. Wiederholt wurde nachgewiesen, dass sich durch kooperatives Lernen in unteren und mittleren Jahrgangsstufen bessere Leistungsergebnisse erzielen lassen (vgl. Mietzel, 2017, S. 537).

Bedeutung von kooperativem Lernen für das selbstgesteuerte Lernen und die Entwicklung von metakognitiven Strategien

Kooperatives Lernen, bei dem Schülerinnen und Schüler an einer gemeinsamen Aufgabe arbeiten und Lösungen erarbeiten, fördert nicht nur den Wissenserwerb, sondern auch soziale Kompetenzen und metakognitive Fähigkeiten. Zu den metakognitiven Strategien zählen das Zusammenfassen, das Formulieren von Fragen, das Klären von Unklarheiten (zum Beispiel von Wortbedeutungen) und das Vorhersagen, wie es wohl weitergehen wird (vgl. Rolff, 2015, S. 388). Um dieses Ziel zu erreichen, sollte die Lehrkraft neben dem Gedanken der positiven Abhängigkeit

  • Aufgaben stellen, die nicht ohne den Beitrag jedes Gruppenmitglieds gelöst werden können und
  • die Schüler von Angesicht zu Angesicht durch Interaktionen bei ihrem Auftrag unterstützen (vgl. Green, 2024).

Der letzte Punkt soll sicherstellen, dass die Lerngruppe sowohl über ein fachliches Unterstützungssystem (jeder Lernende hat jemanden, der sich verpflichtet fühlt, ihm beim Lernen zu helfen – den Lehrer) als auch über ein persönliches Unterstützungssystem (jeder Schüler hat jemanden, der sich ihm als Person verpflichtet fühlt – einen Mitschüler) verfügt.

Zudem

  • muss die Gruppe für das Erreichen ihrer Ziele verantwortlich sein, und jedes Gruppenmitglied fühlt sich für seinen Teil der Arbeit verantwortlich, und
  • es werden soziale Kompetenzen ebenso zielgerichtet vermittelt. (vgl. Green, 2024)

Soziale Kompetenzen umfassen die Fähigkeit zu führen, Entscheidungen zu treffen, Konflikte zu bewältigen und zu kommunizieren. Dadurch werden die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt, sowohl im Team zu arbeiten als auch Aufgaben erfolgreich zu bewältigen. Da Kooperation und Konflikt miteinander verbunden sind, ist die Fähigkeit, Konflikte konstruktiv zu lösen, für den nachhaltigen Erfolg von Gruppenarbeit besonders wichtig. Durch den engen Zeitrahmen werden die Schülerinnen und Schüler intensiv in ihren Kommunikations- und Kooperationsfähigkeiten geschult.

Voraussetzungen zur Entwicklung von Lernstrategien

Um effektive Lernstrategien entwickeln zu können, müssen Schülerinnen und Schüler zunächst verstehen, wie sie lernen. Kooperatives Lernen bietet einen Rahmen für solches Verständnis, indem es den Lernenden ermöglicht, verschiedene Ansätze in der Gruppe zu erproben und zu diskutieren. Wichtige Voraussetzungen sind eine positive Lernumgebung, die Förderung von Selbstwirksamkeit und das Vorhandensein klarer, erreichbarer Ziele. Lernen kann somit durch einen sozialen Prozess innerhalb der unterrichtlichen Interaktion und der angeregten Kommunikation über den Lerngegenstand ermöglicht werden (Gummels, 2020, S. 122).

Methodische Beispiele

Gruppenrecherche

Teams mit vier bis sechs Personen arbeiten gemeinsam an einer Themenstellung oder an einer Problemstellung im Rahmen eines Gesamtthemas. Innerhalb des Teams werden verschiedene Arbeitsaufträge unter den Mitgliedern verteilt. Durch die Aufgabenspezialisierung entsteht ein hohes Maß an individueller Verantwortlichkeit und an wechselseitiger Abhängigkeit innerhalb eines Teams, aber auch gegenüber der gesamten Lerngruppe (vgl. Borsch, 2015, Kap. 4.5).

Üblicherweise wird eine mehrschichtige Themenstellung vorgegeben, auf die es keine einfache Antwort gibt (beispielsweise Brexit). Dazu formulieren die Lernenden mit der Lehrperson verschiedene Unterthemen beziehungsweise Fragestellungen. Die Kleingruppen planen die Arbeit am jeweiligen Thema (Wo wollen wir hin? Was müssen wir machen?). Einzeln oder in Paaren wird recherchiert und die Teammitglieder sammeln die Informationen. Die Gruppenmitglieder wählen die Informationen aus, die präsentiert werden sollen. Die einzelnen Gruppen präsentieren der Gesamtgruppe ihre Ergebnisse.

Skriptkooperation

Es handelt sich um eine Unterrichtsmethode, bei der Lernende zusammenarbeiten, um schriftliche Projekte zu erstellen. Sie brainstormen Ideen, teilen Aufgaben, überarbeiten Texte und nutzen Peer-Feedback, um qualitativ hochwertige Skripte zu erstellen. Diese Methode fördert nicht nur Kollaboration und Teamarbeit, sondern auch das kritische Denken und die Kommunikationsfähigkeiten der Lernenden. Darüber hinaus ermöglicht sie individuelles und gemeinsames Lernen, da die Lernenden ihr Wissen teilen und voneinander profitieren, um ein besseres Verständnis und bessere schriftliche Fähigkeiten zu entwickeln (Borsch, 2015, Kap. 3.5).

Quellen

Borsch, Frank (2015). Kooperatives Lernen, Theorie – Anwendung – Wirksamkeit, Kohlhammer Verlag.

Green, Norm, The Difference between Cooperative Learning and Group Work are the 5 Basic Elements (http://methodenpool.uni-koeln.de/koopunterricht/ger_the_difference.pdf zuletzt aufgerufen am 23.1.2024)

Gummels, Ilka (2020). Wie kooperatives Lernen im inklusiven Unterricht gelingt, Entwicklung und Evaluation einer Lernumgebung für den Mathematikunterricht, Springer Spektrum.

Haas, Ulrich (2015). Selbstorganisiertes Lernen im Unterricht, eine unterrichtspraktische Einführung, Beltz Verlag.

Höfer, Dieter/Steffens, Ulrich (2016). Lernen nach Hattie – Wie gelingt guter Unterricht? Belts Verlag.

Mietzel, Gerd (2017). Pädagogische Psychologie des Lernens und Lehrens, Hogrefe Verlag.

Rolff (Hrsg.), Hans-Günther (2015). Handbuch Unterrichtsentwicklung, Belts Verlag.