Selbstgesteuertes Lernen – Eine kurze Zusammenfassung
Warum selbstgesteuertes Lernen?
Selbstgesteuertes Lernen ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, ihren Begabungen, ihren Fähigkeiten und ihren Neigungen entsprechende Arbeitsweisen und Strategien zu verwenden sowie individualisierte und somit selbst-relevante (Lern-)Ziele zu verfolgen.
Die kognitiven, emotionalen, sozialen, kreativen und körperlichen Fähigkeiten der Lernenden werden berücksichtigt und den individuellen Möglichkeiten entsprechend gefördert.
Aufgrund der nahezu unüberschaubaren Wissensstände ist das Erlangen von metakognitiven Strategien eine unverzichtbare Voraussetzung für lebenslanges Lernen und für die Bildung von selbstbestimmten, verantwortungsvollen und verantwortungsbereiten sowie sozial agierenden Menschen in einer digitalisierten Welt.
Selbstgesteuertes Lernen markiert eine Lernform, bei der die Lernenden mehr oder weniger Initiatoren und Verantwortliche ihrer eigenen Lernfähigkeit sind und in unterschiedlichem Ausmaß Unterstützung und Hilfe erfahren und heranziehen können. Selbstgesteuertes Lernen zeichnet sich stets durch einen hohen Selbstbestimmungs- und Selbststeuerungsanteil aus. Es setzt das Vorhandensein eines Mindestmaßes metakognitiver Strategien voraus und strebt gleichzeitig, neben der Vermittlung von Fachkompetenzen, die Weiterentwicklung und Vertiefung dieser an. Metakognitive Strategien beziehen sich auf das Wissen und die Kontrolle über das eigene kognitive System. Sie umfassen die Fähigkeit, den eigenen Lernprozess zu planen, zu überwachen, zu steuern und zu regulieren. Metakognitive Prozesse ermöglichen es Lernenden, ihre Lernstrategien anzupassen und zu optimieren.
Selbstregulation ist grundsätzlich bei allen Lernprozessen als Voraussetzung zu nennen. Lehrende können nur Lernanlässe anbieten. Die jeweilige Auseinandersetzung mit den Lerninhalten und die Umsetzung in kognitive Schemata ist immer von den Lernenden zu erbringen. Für das selbstgesteuerte Lernen ist die Voraussetzung, dass Schülerinnen und Schüler die
- Fähigkeit zur Selbstmotivation,
- Lese- und Schreibkompetenz,
- notwendigen Fachkompetenzen zur eigenständigen Auseinandersetzung mit den Lerninhalten,
- notwendigen Methoden- (Lern- und Reflexionsstrategien) und Medienkompetenz und
- sozialen Kompetenzen
besitzen (vgl. Konrad & Traub, 2023, S. 26 f., vgl. Beigel, Klopsch & Sliwka, 2023, S. 28).
Die hier aufgezählten Voraussetzungen können auch als Basis für einen sehr geringen Grad des selbstgesteuerten Lernens benannt werden. So ist die methodische und basale Kompetenz zur sinnentnehmenden Textarbeit oder reflektierten Nutzung von Internetquellen auch bei zentral gelenkten Lehr-/Lernprozessen elementar.
Die Voraussetzungen zum selbstgesteuerten Lernen sind im unterrichtlichen Alltag strukturiert anzulegen beziehungsweise zu vermitteln und werden sowohl zum Gegenstand (bewusste Anwendung und Auswahl) als auch zur Methode (reflektierte Anwendung).
Kernelemente des selbstgesteuerten Lernens sind
- die Reflexion über den Ausgangspunkt der Handlung und Motivation,
- das Formulieren eigener Ziele,
- das Ableiten individueller Handlungswege und Planen des (eigenen) Lernprozesses,
- das Ausführen der erforderlichen Lern- und Prozessschritte sowie
- das Erkennen und Reflektieren von Prozessen und Handlungsschwierigkeiten und
- die Entwicklung von Lösungsstrategien.
Selbstgesteuertes Lernen ist im schulischen Alltag systematisch zu entwickeln. Dementsprechend ist auch der Grad der Selbststeuerung, von der direkten Instruktion bis zum vollständig selbstgesteuerten Lernen, ein über mehrere Schritte anzulegender Prozess.
Der Grad der Selbststeuerung hängt sowohl von den Lerninhalten (Merkmale der Fachanforderungen) als auch von den vorhandenen Fach- beziehungsweise Methodenkompetenzen und Selbstkonzepten der Lernenden ab und ist durch die Lehrkraft (schülerindividuell) festzulegen. Es geht darum, eine Balance zwischen Fremdsteuerung durch Instruktion und Selbststeuerung durch Konstruktion herzustellen.
Bei Lernenden mit einer geringen Ausprägung der beschriebenen Voraussetzungen ist das selbstgesteuerte Lernen anzubahnen oder auf einem niedrigen Grad umzusetzen. Expositorische Lernverfahren – also Verfahren mit einem hohen Maß direkter und strukturierter Instruktion – bieten sich hier aufgrund der gelenkten Struktur an. Zentrales Element ist aber auch hier, dass die Tiefenstrukturen des Lernens angesprochen werden sowie die Reflexion des Lernens erfolgt und metakognitive Strategien angebahnt werden.
Mit steigendem Grad des selbstgesteuerten Lernens werden expositorische Verfahren zugunsten explorativer Verfahren abgelöst, behalten jedoch in gewissem Umfang noch eine didaktische Relevanz.
Neben der Entwicklung von Fachkompetenzen und der Erweiterung des Fachwissens kommt den personenbezogenen Prozessen und Strukturen beim selbstgesteuerten Lernen besondere Bedeutungen zu. Daher steht die Förderung der Planung und Handlungsreflexion im Zentrum des didaktischen Handelns. Diese stellt gleichzeitig, aufgrund der notwendigen inneren Bereitschaft der Lernenden zur (Selbst-)Reflexion und des Vermögens, Prozess und Handlungskorrekturen vornehmen zu können beziehungsweise zu wollen, eine besondere Herausforderung dar. Daher sollten die Form der Lerndiagnostik und die Erwartungen an die (Selbst-)Reflexion aber auch die angebotenen Unterstützungsleistungen vor der jeweiligen selbstgesteuerten Arbeitsphase bekannt und akzeptiert sein. Entscheidend ist, dass die Lernenden die prozessbegleitenden Feedback- und Reflexionsphasen als konstruktiv und positiv wahrnehmen, diese keine Leistungsbewertung darstellen und negative beziehungsweise eingrenzende Gefühle ernst genommen und besprochen werden (können). Negative Emotionen, das Gefühl der Über- beziehungsweise Unterforderung oder die fehlende Sinnhaftigkeit der Lernaktivitäten, also der fehlende Lebensweltbezug, wirken sich negativ auf die Lernmotivation als Grundvoraussetzung des selbstgesteuerten Lernens aus (vgl. Konrad & Traub, 2023, S. 33 ff.).
Die Frage der Motivation stellt eine zentrale Herausforderung bei der Ausgestaltung von Lernumgebungen und Lernprozessen dar, insbesondere für Lernende, die die oben genannten Voraussetzungen nicht oder nur teilweise erfüllen. In diesem Kontext spielt das Erleben von Selbstwirksamkeit eine entscheidende Rolle. Ebenso wichtig ist die Aussicht darauf, dass Lernziele mitbestimmt und erreicht werden können, sowie die Möglichkeit, das bereitgestellte Lernmaterial aktiv zu bearbeiten. Die Bereitstellung differenzierter Lernmaterialien trägt wesentlich zur Lernmotivation der Lernenden bei. Gleichzeitig wird darauf geachtet, dass die Lernumgebung so gestaltet ist, dass die Lernenden ihre Aufmerksamkeit auf das Lernen richten können (Konzentration), ohne durch unnötige äußere Reize oder Überfrachtung abgelenkt zu werden (vgl. Konrad & Traub, 2023, S. 26 ff.).
Die Lernumgebung beeinflusst maßgeblich die Gestaltungsmöglichkeiten des Lernens. Der Raum wird daher häufig auch als 3. Pädagoge bezeichnet. Eine Lernumgebung bezieht sich nicht auf einen bestimmten Raum, sondern vielmehr auf das gesamte Arrangement des Unterrichtes. So kann der Unterricht auch losgelöst von einem Raum erfolgen und sich auf mehrere Bereiche innerhalb der Schule oder auch auf die Möglichkeit zur Nutzung außerschulischer Lernangebote erstrecken.
Die Lernumgebung beinhaltet eine Kollektion unterschiedlicher Arten von analogen und digitalen Medien sowie Orten, welche so aufbereitet oder arrangiert sind, dass sie das Eintauchen in eine Umwelt, die selbst gesteuerte Lernprozesse besonders anregt, fördert (vgl. Issing, 2002, S. 30f).
Die Lernumgebung
- bietet Anlässe zur individuellen Entwicklung von metakognitiven Strategien.
- bietet Anlässe zur individuellen (Weiter-)Entwicklung von Fachkompetenzen und Fachwissen.
- wird durch transparentes und auf Individualisierung ausgerichtetes Classroom Management geprägt.
- bietet Möglichkeiten, individuelle und transparente Lernziele zu verfolgen.
- beinhaltet anerkannte und abgestimmte Elemente des formativen und summativen Feedbacks.
- bildet den Rahmen, autonom gewählte, individuell relevante sowie authentische Lernziele zu erreichen.
- ermöglicht das Erleben von positiver Selbstwirksamkeit.
- beinhaltet motivierende und adaptive Lernmaterialien.
- fußt auf kooperative Lernszenarien und konstruktive Unterstützungsstrukturen.
Das notwendige Classroom Management lässt kann durch ein zentrales Lernmanagementsystem (LMS) unterstützt und strukturiert gestalten. Es bietet Möglichkeiten von der individuellen Materialdistribution über individuellem Feedback bis hin zur Gestaltung von E-Portfolios und Gruppenmanagement.
Autonomiestufen des selbstgesteuerten Lernens
Der Grad der Unterstützung kann wie folgt dargestellt werden. Die Übergänge zwischen den Stufen sind fließend und variabel. 1. Direkte Instruktion Auf der ersten Ebene soll die Basis für das selbstgesteuerte Lernen angelegt werden. Die Lernenden brauchen Motivationshilfe zur Bewältigung der weiteren Aufgaben. |
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Ziele | Lernprozess und Lernumgebung | Reflexion und Methodik |
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Methoden: FOLGEN
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2. Adaptive Instruktion Auf dieser Ebene soll eine Hinführung zum selbstgesteuerten und kooperativen Lernen erfolgen. Aufbauend auf den auf der ersten Ebene erworbenen Kompetenzen sollen diese zur Befähigung zu kooperativem Lernen gefestigt, vertieft und erweitert werden. |
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Ziele |
Lernprozess und Lernumgebung |
Reflexion und Methodik |
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Methoden: folgen
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3. Kooperatives Lernen Die Entwicklung von metakognitiven Strukturen sowie kooperative Lernprozesse sind die zentralen Elemente auf dieser Ebene. Lernende sollen die in der zweiten Phase erlernten Kompetenzen zum kooperativen Arbeiten festigen, ausbauen und sich gegenseitig unterstützen sowie den Lernprozess reflektieren und gemeinsame Lern-/ beziehungsweise Lösungsstrategien entwickeln. |
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Ziele |
Lernprozess und Lernumgebung |
Reflexion und Methodik |
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Methoden: 70. Methodenkarte „itslearning – Hausaufgaben effizient besprechen" 60. Methodenkarte „itslearning – Kommunikation zur Unterrichtsorganisation" |
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4. Individuelles selbstgesteuertes Lernen Die auf der dritten Ebene erlangten metakognitiven Strukturen werden vertieft und individualisiert. Auf dieser Stufe befasst sich die/der Lehrende mit selbst formulierten Zielen und reflektiert das Handeln schließlich eigenständig und leitet Alternativen ab. Sie/Er soll vertiefte Kompetenzen erlangen, um Medien, Methoden, Umgebungen und Rahmenbedingungen des eigenen Handels kritisch konstruktiv zu hinterfragen und durch die Selbstverantwortung als Persönlichkeit zu reifen. |
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Ziele |
Lernprozess und Lernumgebung |
Reflexion und Methodik |
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Methoden: folgen |
Quellen
Issing, L.J. in Klimsa P. (Hrsg.), Informationen und Lernen mit Multimedia und Internet, Weinheim, 2002
Konrad K. , Traub S.: Selbstgesteuertes Lernen - Grundwissen und Tipps für die Praxis, 7. Auflage, Schneider Verlag Hohengehren GmbH, 2023
Beigel J., Klopsch B., Sliwka A, Deeper Learning gestalten, Beltz Verlag, 2023