Lerndiagnostik und Feedback

Mutter hilft Kindern bei den Hausaufgaben
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Wie erfolgreich Lernprozesse sind, hängt von verschiedenen Bedingungen ab. So ist bekannt, dass Lernen am besten dann gelingt, wenn es auf vorhandenes Wissen und Erfahrungen aufbaut (Hasselhorn, Gold, 2017). Ebenso wichtig ist es, Lernstrategien und -methoden zielgruppengerecht anzuwenden und zu vermitteln. Für die Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen bedeutet das, dass die Lernvoraussetzungen und Lernziele von Lernenden sichtbar gemacht werden müssen. Zudem ist es wichtig, Lernprozesse zu reflektieren und entsprechend anzupassen. Um diesen Prozess zielführend zu gestalten, ist ein umfassendes und möglichst systematisches Vorgehen notwendig.

Mithilfe von Diagnostik wird sichtbar gemacht, welche Voraussetzungen und Bedingungen Lernende für einen gelingenden Lernprozess mitbringen und welche Lernergebnisse erzielt werden. Eine hohe Diagnosekompetenz bei Lehrpersonen geht mit besseren Lernergebnissen bei Lernenden einher (Helmke, 2009; Hattie, 2013). Feedback hilft sowohl Lernenden als auch Lehrenden, während des Lernprozesses Informationen über den Wissensstand, das Verständnis der Aufgabe und der Inhalte zu erlangen, zu kommunizieren und damit das Lernziel besser zu erreichen.

Begriff – Diagnostik

Mithilfe von Diagnostik werden Voraussetzungen und Bedingungen für erfolgreiche Lehr- und Lernprozesse von Lernenden ermittelt. Außerdem werden „Lernprozesse analysiert und es wird ihre Wirksamkeit, die sich im Lernergebnis niederschlägt, festgestellt“ (Witt, 2015, S. 2). Ziel des Vorgehens ist es, individuelle Lernprozesse zu optimieren (Witt, 2015; Klaus & Traub, 2013).

Diagnostik kann informell, semiformell und formell durchgeführt werden (Witt, 2015, S. 2):

  • Informelle Diagnostik geschieht intuitiv, allgemeine Wahrnehmungen werden als Grundlage für Bewertung und Beurteilung genutzt. Diese Form der Diagnostik geschieht häufig unbewusst und zeichnet sich durch eine hohe Fehlerquote aus.
  • Semiformelle Diagnostik findet bereits gezielter statt, basiert jedoch auch auf subjektiven Eindrücken und weist wenig Standardisierung auf.
  • Formelle Diagnostik wird hingegen systematisch betrieben. Es werden standardisierte Methoden angewandt, sodass sich diese Form der Diagnostik durch eine geringe Fehlerquote auszeichnet.
Verfahren – Diagnostik

Um sichtbar zu machen, welche Lernvoraussetzungen und -bedingungen Lernende mit in eine Lernsituation bringen, müssen diese messbar gemacht werden. Dabei wird in der pädagogischen Praxis zumeist von gezeigtem Verhalten auf Kompetenzen rückgeschlossen (Witt, 2015, S. 3). Um diesen Rückschluss zu vollziehen, beschreibt Witt (2015) einen Diagnosekreislauf. Am Beginn steht die Festlegung eines Ziels (zum Beispiel die Feststellung der Recherchekompetenz eines Lernenden). Um dieses Ziel zu erreichen, müssen eindeutig definierte Indikatoren bestimmt werden, die ein Verhalten messen, von dem auf eine Kompetenz geschlossen werden kann (zum Beispiel zielgerichtete Nutzung einer Suchmaschine). Die Auswahl einer passenden Methode für die gewünschten Indikatoren sichert die valide Erhebung (zum Beispiel Beobachtung der Lehrenden). Die anschließende Diagnose bringt die Ergebnisse hervor, die durch die Lehrperson beurteilt und interpretiert werden (zum Beispiel angemessene Recherchekompetenz). Daraus können Anpassungen für den Lernprozess oder aber neue Lernschritte/-ziele vereinbart werden.

Es ist auch möglich, Kompetenzen direkt zu messen und darauf aufbauend individuelle Lernprozesse zu gestalten. Dieses Vorgehen erfordert jedoch eine hohe Standardisierung, um zu gewährleisten, dass tatsächlich die Kompetenzen gemessen werden, die gemessen werden sollen. Dementsprechend zeitintensiv ist die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung solcher Vorgehen.

Um eine zielführende Diagnostik sicherzustellen, sind folgende Gütekriterien wichtig (Witt, 2015; Döring & Bortz, 2016):

  • Durch das Vorgehen muss gemessen werden, was gemessen werden soll (Validität).
  • Das Verfahren muss für die betrachtete Situation eine hohen Genauigkeitsgrad bieten (Reliabilität).
  • Das Ergebnis muss unabhängig von der Person sein, die die Diagnostik durchführt (Objektivität).
Methodische Beispiele Diagnostik

Um eine Diagnostik durchzuführen, bieten sich im unterrichtlichen Setting verschiedene Methoden an (Witt, 2015, S. 3 f.):

  • mündliche oder schriftliche Befragung (z. B. Tests in einem LMS, H5P, Beratungsgespräch, Fragebogen)
  • Beobachtung (z. B. Rollenspiel)
  • Materialanalyse (z. B. Hausaufgaben)
  • Mischverfahren (z. B. Kompetenzpässe)

Häufig liegen bereits erprobte Verfahren vor, auf die Lehrpersonen zurückgreifen können. Bei der Durchführung von diagnostischen Verfahren sollte darauf geachtet werden, dass für die Lehrperson keine doppelte Belastung entsteht. So kann eine Beobachtung schnell dazu verleiten, sie im Unterricht „nebenbei“ durchzuführen oder mehrere Lernenden zeitgleich diagnostizieren zu wollen (Witt, 2015, S. 4). Die Durchführung einer Diagnostik sollte grundsätzlich einem strukturierten und möglichst standardisierten Vorgehen folgen.

Mit beispielsweise Vera 3 und 8 sowie Lernstand 5 stehen fertige Verfahren zur Verfügung, die den hohen Standards von Diagnostik entsprechen und von Lehrkräften zur Ermittlung des Kompetenzstands ihrer Lerngruppe eingesetzt werden können. Teile solch diagnostischer Verfahren sowie weitere Testinstrumente sind im Lernmanagementsystem itslearning sowie in der Testplattform LeOniE.SH vorhanden und können von allen Lehrkräften Schleswig-Holsteins für die eigene Lerngruppen zur Durchführung einer Diagnostik genutzt werden. Zudem besteht in Schleswig-Holstein die Möglichkeit, in den Fächern Deutsch und Mathematik an der Lernstandserhebung Lernstand 5 teilzunehmen. Diese findet zu einem festgelegten Zeitraum in LeOniE.SH statt.

In itslearning stehen die Instrumente in der Kursvorlage „Lernstandserhebungen“ bereit. Diese Vorlage kann in einen eigenen itslearning-Kurs übertragen und angepasst werden, sodass ein zielführender Einsatz für die eigene Lerngruppe gewährleistet werden kann.

Ebenso können interaktive H5P-Übungen zu diagnostischen Zwecken als auch zur Festigung und Selbstkontrolle der Lernenden verwendet werden.

In LeOniE.SH stehen im Testbereich ebenfalls Vorlagen zur Verfügung, um die vorhandenen Testinstrumente in der eigenen Lerngruppe einzusetzen. In beiden Fällen sind jeweils eine Onlineversion und eine Papierversion der Tests sowie Lösungshefte/Auswertungsanleitungen und Durchführungshinweise vorhanden.

Die Vorlagen erstrecken sich auf beiden Plattformen über unterschiedliche Fächer und verschiedene Jahrgangsstufen, von der Grundschule bis zur weiterführenden Schule. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt in beiden Fällen durch die Lehrenden, die den Lernenden anschließend eine Rückmeldung geben und den darauffolgenden Lernprozess strukturieren kann.

Begriff – Feedback

Spätestens seit der Hattie-Studie von 2009 wissen wir, dass Feedback eine hochwirksame Unterrichtsmethode darstellt. Im Rahmen der Studie zählt sie zu den „am besten erforschten Aspekten und gleichzeitig zu den wirkungsvollsten Faktoren der Unterrichtsentwicklung.“ (Schulz, 2021, S. 5). Daher lohnt sich ein genauerer Blick auf das Thema. Bastian (2014, S. 8) definiert in Anlehnung an Hattie Feedback wie folgt:

„Feedback im Unterricht bedeutet,

  • dass sich zwei oder mehrere Personen
  • in methodisch strukturierten Rückmeldungen und Gesprächen
  • Erfahrungen mit Aufgaben und Lernprozessen mitteilen,
  • um daraus für eine gemeinsame Weiterentwicklung des Lernens, des Lehrens und gegebenenfalls der schulischen Bedingungen zu lernen.“

Feedback sollte sich ausschließlich auf den Lernprozess, das Aufgabenverständnis und die Selbstregulationsfähigkeit der Lernenden beziehen. Feedback bezieht explizit keine Rückmeldungen zur Person ein und gibt nicht ausschließlich Rückmeldung über die Antwortrichtigkeit (Bastian, 2014, mit Bezug auf Hattie, 2013).

Automatisiertes Feedback, welches über Lernspiele oder über ein LMS durch unmittelbare Rückmeldungen zu bearbeiteten Aufgaben gegeben wird, bietet den Vorteil, dass Lernende „sich noch im kognitiven Denk-Prozess [befinden], sodass sie die vom Programm automatisierte Rückmeldung verarbeiten und einordnen können. Von Nachteil ist dabei, dass viele Lernprogramme das Feedback auf die beiden Optionen „richtig“ oder „falsch“ oder auf anderweitiges quantitatives Feedback beschränkt haben. Dies kann gegebenenfalls für einige Schülerinnen und Schüler ein Anlass dafür sein, sich mit den Inhalten noch näher auseinanderzusetzen. Sollte jedoch der Lerngegenstand und das beinhaltende Niveau weit von den Leistungsmöglichkeiten der Schülerin oder des Schülers entfernt sein, so ist es diesen häufig nicht möglich, ihr Lernverhalten anzupassen. Besser ist es, wenn das Programm beispielsweise Hilfen oder Tipps anbietet, die die Lernenden dazu führen, die Aufgaben zu bewältigen.“ (Schulz, 2021)

Verfahren – Feedback

Nach Bastian (2014), Hattie (2013) und Schulz (2021) ist Feedback ein wechselseitiger Prozess, bei dem nicht nur die Lehrenden den Lernenden Feedback geben, sondern auch umgekehrt. An dieser Stelle ist es ein weiteres Mal wichtig zu betonen, dass Feedback sich nicht auf die Person bezieht, sondern immer auf den Lernprozess und die Lernziele. Nach Schulz (2021) sollte Feedback kein Lob und auch keine Bestrafung sein. Es geht explizit um die Erreichung der Lernziele und damit um den Lernprozess. Dazu ist es elementar, Lernziele für die Lernenden transparent zu machen. Diese sollten immer wissen, woraufhin das Feedback erfolgt. Die Rückmeldungen sollten ab einer ersten Erarbeitungsphase initiiert werden und nicht direkt am Start des Lernprozesses stehen (Schulz, 2021, beziehend auf Weckend, Schatz & Zierer, 2012, S. 28). Feedback muss über den gesamten Prozess hinweg (formativ) erfolgen. So sollte beispielsweise regelmäßig über den aktuellen Lernstand, das Lernziel und auch über die nächsten Arbeitsschritte informiert werden (Käfer et al., 2021, S. 4). Feedback sollte hingegen nicht erst am Ende (summativ) des Lernprozesses erfolgen. Ein Beispiel für ein summatives Feedback sind klassischerweise Zeugnisse oder Klassenarbeiten. Diese Formen dienen vor allem der Bewertung von Leistungen und sagen mehr über erworbene Leistungen und Kenntnisse aus. Ergänzend kann mit Schulz (2021) festgehalten werden, dass Lernende, die am Anfang des Lernprozesses stehen, oft Informationen zur Aufgabe brauchen. Lernende hingegen, die schon weiter sind, brauchen Rückmeldungen zum Arbeitsprozess und Informationen für die eigene Planung sowie Selbsteinschätzung.

Methodische Beispiele

Im Feedback sollten Rückmeldungen zur Aufgabe, zum Lernprozess und zur Selbstregulation gegeben werden (siehe Bastian, 2014, nach Hattie & Timberley, 2007). Diese erfolgen sowohl von den Lehrenden als auch von den Lernenden. Folgende Tabelle verdeutlicht dies mit Beispielfragen:

Nach Schulz (2021), die sich auf Weckend et. al (2019, S. 24 ff.) bezieht, können die Perspektiven auch wie folgt formuliert werden:

  • „Feed-Back (Was war?): Hierbei wird der vorherige Ist-Stand mit dem [aktuellen] […]Ist-Stand verglichen. Die Fortschritte des Lernenden werden analysiert“ (S. 5).
  • „Feed-Up (Was ist?): Der Lernende erfährt in Bezug auf die Zielsetzung, an welcher Stelle des Lernprozesses er sich gerade befindet und was er tun kann, um das Ziel zu erreichen“ (S. 6).
  • „Feed-Forward (Was wird?): Lernende und Lehrkraft überlegen, welche nächsten Schritte bevorstehen und was sie oder er als nächstes tun kann“ (S. 6).

Diese drei Perspektiven beziehen sich rein auf eine leistungsbezogene Ebene (Schulz, 2021). Die Rückmeldung auf persönlichkeitsbezogener Ebene (wie Lob und Tadel) würde keine Informationen zum Lernprozess selbst beinhalten und ist damit im Feedback zu vermeiden.

Eine digitale Umsetzung von Feedback im hier geschilderten Verständnis kann beispielsiweise über entsprechende Funktionen im Lernmanagementsystem itslearning erfolgen. Hier lassen sich Aufträge erstellen, die von den Lernen in Gruppen oder individuell bearbeitet werden. Eine Rückmeldung dazu kann durch die Lehrenden schriftlich oder als Audio- oder Videoaufnahme erfolgen, und die Lernenden können anschließend schriftlich reagieren und Rückfragen stellen. Zudem besteht die Möglichkeit, nach der Bearbeitung von Aufträgen eine Selbstbeurteilung der Lernenden einzuholen. Diese wäre eine Möglichkeit der Rückmeldung über den eigenen Lernprozess durch Lernende an Lehrende. Bei Verständnisschwierigkeiten können die Lernenden die Abspielgeschwindigkeit anpassen. Aber Achtung: Die Videoaufnahme funktioniert nicht mit den iPad-Lehrkräfteendgeräten.

In itslearning können auch Online-Textdokumente erstellt werden. Werden hierin Aufgaben bearbeitet, kann ein Feedback während des Lernprozess beispielsweise per Kommentarfunktion erfolgen. So können Informationen durch die Lehrkraft im Schreibprozess durch die Lernenden eingearbeitet werden.

Quellen

Döring, Nicola & Bortz, Jürgen (2016): Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. Heidelberg: Springer-Verlag.

Hasselhorn, Marcus & Gold, Andreas (2017): Pädagogische Psychologie. Erfolgreiches Lernen und Lehren. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer.

Hattie J. (2013). Lernen sichtbar machen. Schneider-Verl. Hohengehren.

Hattie, John/Timperley, Helen (2007): Die Wirkung von Feedback. In: Zierer,  Klaus (2016): Jahrbuch für allgemeine Didaktik 2016. Baltmannsweiler:  Schneider Verlag Hohengehren, S. 204-239.

Käfer, J., Herbein, E., & Fauth, B. (2021). Formatives Feedback im Unterricht. Stuttgart: Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg.

Klaus Konrad, SilkeTraub: Selbstgesteuertes Lernen - Grundwissen und Tipps für die Praxis, 7. Auflage, Schneider Verlag Hohengehren GmbH, 2023, S. 31 - 34

Weckend, D., Schatz, C. & Zierer, K. (2019). Ich gebe und fordere Rückmeldung. – Feedback in der Unterrichtspraxis (S. 19–39). In: M.-C. Vierbuchen & F. Bartels (Hrsg.). Feedback in der Unterrichtspraxis. Schülerinnen und Schüler beim Lernen wirksam unterstützen. Stuttgart: Kohlhammer.

Witt, Susanne (2015): Pädagogische Diagnostik. Der DIE-Wissensbaustein für die Praxis. URL: https://www.die-bonn.de/wb/2015-paedagogische-diagnostik-01.pdf (zuletzt abgerufen am 11.01.2024).