Bildverstehen

Sobald Bilder als Vehikel für Lerninhalte dienen sollen, also Inhalte zu den Lernenden transportieren und nicht nur unterhalten oder ästhetisch ansprechen sollen, muss das Bild so ausgewählt werden, dass dieser Transport möglichst reibungslos erfolgen kann.

Wie versteht man dieses Bild?

Selbst das schlichteste Bild kann ohne eine konkrete Aufgabenstellung zu unterschiedlichen Lösungen bzw. Antworten führen:

  • Sonne und Haus
  • 25 Strecken und 1 Kreislinie
  • schönes Wetter
  • Sonne scheint über dem Haus
  • 4 Rechtecke, 10 Linien und 1 Kreis
  • uvm.

Zum einen muss der natürliche Wahrnehmungsprozess unterstützt werden, durch den der Lernende das Bild in Sekundenschnelle quasi von selbst und unbewusst als Gesamtheit wahrnimmt und das Dargestellte erkennt. Zum anderen gilt es, den darauf aufbauenden, bewusst intendierten Verstehensprozess so zu lenken und zu unterstützen, dass der Lernende in die Lage versetzt wird, das Bild nicht nur zu sehen, sondern auch die Intention der Autorin beziehungsweise des Autors herauszulesen.

Der natürliche Wahrnehmungsprozess kann insbesondere dadurch erleichtert werden, dass die Bilder nicht bestimmten Wahrnehmungspräferenzen zuwiderlaufen:

  • So wird ein Lernender eher mehrere einfache und bekannte Figuren in einem Bild sehen als eine komplexe, und
  • er wird den Verlauf vorhandener Linien so einfach wie möglich weiterdenken.
  • Er wird dort einen Zusammenhang vermuten, wo Objekte ähnliche Eigenschaften, räumliche Nähe oder dieselbe Bewegungsrichtung zueinander aufweisen.
  • Und er wird dort Schwierigkeiten haben, wo sich Objekte visuell nicht leicht vom Hintergrund abheben.
schlichte Gartenbank als Strichzeichnung
©Annika Gandelheid/stock.adobe.com

Auch das Vorwissen (über das Thema selbst und über die in der Kultur vorkommenden Darstellungsformen) spielt offensichtlich eine große Rolle, wenn beispielsweise eine zweidimensionale Skizze durch Einbeziehung von Perspektivität, Schatten, Farben, passenden Proportionen oder entlang von Fluchtlinien als dreidimensional wahrgenommen oder ein Diagramm nach bekannten Konventionen gelesen werden soll. Im letzteren Fall gilt es zum Beispiel, die Art des Diagramms entsprechend der inhaltlichen Zielsetzung zu wählen und auf zusätzlichen Ballast (beispielsweise überladene Farbigkeit oder Mehrdimensionalität, die nichts zum Inhalt beiträgt) zu verzichten.

Der Verstehensprozess, der an den natürlichen Wahrnehmungsprozess anknüpft, kann ebenfalls unterstützt werden. Dies kann entweder durch bildexterne Mittel geschehen, zum Beispiel durch akustische oder textliche Erläuterungen, oder durch Mittel, die auf bestimmte Bildelemente hinweisen. Dies kann beispielsweise durch das Hinzufügen von Pfeilen, Einkreisen, farbigen Hervorhebungen oder Vergrößerungen geschehen. Es kann aber auch bereits bei der Erstellung oder Auswahl des Bildes darauf geachtet werden, dass wichtige Inhalte besonders detailliert dargestellt werden, um sich vom Hintergrund abzuheben. Auch das Hinzufügen eines Vergleichsbildes kann dem Lernenden helfen, verschiedene Aspekte besser zu erkennen.